„REMIND: Dein Gehirn kann viel mehr, als du glaubst“ von Yvonne Diewald verspricht viel. Mit ihrer selbst entwickelten REMIND®-Methode will die Autorin zeigen, wie sich hartnäckige Denk- und Verhaltensmuster durch gezieltes Training auflösen lassen. Doch gerade bei einem so sensiblen Thema wie der mentalen Gesundheit und dem Umgang mit Traumata ist es wichtig, die Methode kritisch zu hinterfragen.
Das Buch richtet sich an Menschen mit vielfältigen Herausforderungen – von Ängsten und Depressionen bis hin zu Beziehungsproblemen. Doch ist die Methode tatsächlich für alle geeignet, oder birgt sie Risiken, die im Buch nicht ausreichend reflektiert werden?
Die REMIND®-Methode: Eine Einführung
Die Methode basiert darauf, Denk- und Verhaltensmuster zu erkennen und durch gezieltes Training zu verändern. Ziel ist es, das Gehirn so zu „programmieren“, dass es uns unterstützt, anstatt uns durch unbewusste Automatismen auszubremsen.
Stärken der Methode:
- Wissenschaftliche Basis: Diewald greift auf Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft und Psychologie zurück, um die Methode zu untermauern.
- Praxisnähe: Das Buch bietet konkrete Übungen, die leicht in den Alltag integriert werden können.
- Zielgruppe: Die Methode adressiert ein breites Spektrum an Herausforderungen und spricht Leser:innen an, die nach einer praktikablen Lösung suchen.
Kritische Punkte: Die REMIND®-Methode im Kontext
Während das Buch viele wertvolle Ansätze bietet, gibt es einige Aspekte, die kritisch betrachtet werden sollten:
1. Eine proprietäre Methode
„Proprietär bedeutet in Eigentum befindlich„. Die REMIND®-Methode wurde von Yvonne Diewald selbst entwickelt. Anders als in der wissenschaftlichen Praxis, wo Methoden von unabhängigen Experten geprüft und weitergegeben werden, bleibt REMIND® eng mit der Autorin verbunden. Dies wirft die Frage auf, ob die Methode primär dazu dient, Wissen zu vermitteln, oder auch, um die Marke REMIND® zu kommerzialisieren.
2. Versprechungen vs. Realität
Der Titel des Buches erweckt den Eindruck, dass jede:r mit der Methode belastende Muster lösen kann. Doch bei Menschen mit tiefgreifenden Traumata oder schweren psychischen Erkrankungen stößt dieser Ansatz an Grenzen. Veränderung erfordert oft eine langfristige, therapeutisch begleitete Arbeit, die über Übungen hinausgeht. Hier fehlt die klare Abgrenzung, für wen die Methode geeignet ist – und für wen nicht.
3. Unterschätzte Traumakomplexität
Diewald beschreibt, wie Denk- und Verhaltensmuster durch Training verändert werden können. Doch gerade bei Traumata, die oft unbewusst tief im Nervensystem verankert sind, reicht reines „Umprogrammieren“ nicht aus. Traumaheilung benötigt meist spezialisierte, traumasensible Therapieformen, die REMIND® so nicht leisten kann. Und wenn wir schon dabei sind, so steht ein „Umprogrammieren“
Manipulation und ethische Fragen zur REMIND®-Methode
Ein weiterer kritischer Punkt ist der ethische Rahmen, in dem die REMIND®-Methode steht. Methoden zur Verhaltensänderung oder „Umprogrammierung“ des Gehirns werfen grundsätzlich die Frage auf, ob und in welchem Maße es wünschenswert ist, sich an gesellschaftliche Normen anzupassen. In einer Welt, die oft schwierige Gefühle wie Trauer, Angst oder Überforderung verdrängt und stattdessen Leistung, Effizienz und Stärke bevorzugt, besteht die Gefahr, dass solche Ansätze unbewusst dazu beitragen, dass Menschen „funktionieren“, anstatt sich selbst wirklich zu begegnen.
Und es gab ja in der Geschichte schon manchen euphorisch gefeierten Ansatz, der dann aber doch nicht zu den Ergebnissen führte, die man gerne im großen Stil hätte. Vielleicht liegt hier ja der Hase im Pfeffer. Wir erinnern an NLP – mich erinnert diese Sache tatsächlich schwer daran – und „Achtsamkeitstraining“, das in den letzten Jahren an Popularität gewonnen hat. Unbewusste Abläufe bewusst zu machen und dann zu verändern – das ist nichts Neues unter der Sonne.
Die Traumatherapeutin Dami Charf betont in ihrem Ansatz, dass es bei psychischen Herausforderungen vor allem um die Arbeit an den Fähigkeiten zur Selbstregulation geht. Diese ermöglicht es, schwierige Gefühle zu integrieren und mit ihnen umzugehen, statt sie zu verdrängen oder sich unkritisch gesellschaftlichen Erwartungen unterzuordnen. Charf plädiert für einen sanften, inneren Heilungsprozess, der oft im Kontrast zu schnellen „Umprogrammierungen“ steht.
Da Yvonne Diewald keine Therapeutin ist und ihre Methode keine Therapie darstellt, sollte klarer darauf hingewiesen werden, dass REMIND® keine tiefgreifende, traumaverarbeitende Arbeit leisten kann. Der Fokus liegt auf Verhaltenstraining, das sich eher an der Optimierung orientiert als an der umfassenden Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte. Dies mag für manche hilfreich sein, birgt jedoch die Gefahr, dass Menschen unbewusst lernen, sich an ein System anzupassen, das die Wurzeln ihrer Probleme möglicherweise nicht anerkennt oder versteht.
Die Frage bleibt: Fördert REMIND® ein gesundes Selbst oder ein „angepasstes Selbst“? Eine differenzierte Auseinandersetzung mit diesem Spannungsfeld fehlt im Buch und könnte gerade bei sensiblen Themen wie Trauma oder tiefen Lebenskrisen zu Missverständnissen führen.
Für wen ist das Buch wirklich geeignet?
„REMIND“ bietet einen niederschwelligen Einstieg für Menschen, die ihre Muster erkennen und erste Schritte zur Veränderung unternehmen möchten. Besonders hilfreich ist es für:
- Menschen mit leichteren psychischen Belastungen wie Selbstzweifeln oder Stress.
- Leser:innen, die ihre mentalen Gewohnheiten reflektieren und neue Perspektiven ausprobieren wollen.
- Menschen, die sich für Neuroplastizität und die Funktionsweise des Gehirns interessieren.
Wer jedoch unter Traumata, schweren Depressionen oder Angststörungen leidet, sollte die Methode mit Vorsicht betrachten und professionelle Hilfe hinzuziehen.
Stärken des Buches
Trotz der kritischen Punkte bietet „REMIND“ viele positive Aspekte:
- Anschauliche Erklärungen: Diewald vermittelt komplexe Themen verständlich und praxisnah.
- Motivierende Ansätze: Die Methode regt dazu an, Verantwortung für die eigene mentale Gesundheit zu übernehmen.
- Alltagstauglichkeit: Die Übungen sind direkt umsetzbar und erfordern keine Vorkenntnisse.
Abschlussgedanken: Chancen und Grenzen von REMIND
Yvonne Diewalds „REMIND“ ist ein inspirierender Leitfaden, der zeigt, wie Veränderung beginnen kann. Es bietet wertvolle Einblicke und erste Schritte zur Reflexion und Umgestaltung eigener Denkmuster.
Doch die Methode hat klare Grenzen, insbesondere bei tiefgreifenden psychischen Problemen oder Traumata. Die Versprechungen des Titels könnten bei manchen Leser:innen Erwartungen wecken, die das Buch nicht erfüllen kann.
Letztlich ist „REMIND“ ein motivierender Einstieg – aber kein Ersatz für therapeutische Unterstützung, wenn die Herausforderungen tiefer liegen.
REMIND Dein Gehirn kann viel mehr, als du glaubst: So befreist du dich von belastenden Mustern
von Yvonne Diewald
320 Seiten, Allegria (2024)
ISBN 379342457X
Buch hier bestellen
Leseprobe REMIND
FAQs
Ist die REMIND®-Methode für alle geeignet?
Die Methode eignet sich für leichtere psychische Belastungen. Bei Traumata oder schwereren Erkrankungen ist professionelle Hilfe notwendig.
Was macht das Buch besonders?
Es verbindet wissenschaftliche Ansätze mit praktischen Übungen, die leicht umsetzbar sind.
Kritisiert das Buch die eigene Reichweite?
Leider nicht ausreichend. Eine klarere Abgrenzung der Zielgruppen und der Methode wäre wünschenswert.
Wo kann ich das Buch kaufen?
„REMIND“ ist im Buchhandel und online erhältlich.
Gib den ersten Kommentar ab