Verena König, renommierte Traumatherapeutin und Autorin, widmet sich in ihrem Buch Trauma und Beziehungen einem zentralen Aspekt menschlicher Existenz: der Verbindung zwischen vergangenen Bindungserfahrungen und den Beziehungen, die wir heute führen. Auf Basis der Psychotraumatologie und der Polyvagaltheorie zeigt König eindrucksvoll, wie frühe Verletzungen unser Nervensystem prägen und sich auf unser gesamtes Leben auswirken können.
Bindungstraumata im Fokus
Königs Ansatz macht deutlich, dass nicht nur dramatische Schocktraumata wie Unfälle oder Gewalt prägend sind, sondern vor allem Bindungstraumata – Verletzungen, die in zwischenmenschlichen Beziehungen entstehen. Diese subtileren, aber oft tiefgreifenderen Traumata können uns lebenslang begleiten und äußern sich in wiederkehrenden Beziehungsproblemen, Bindungsängsten oder der Tendenz zu toxischen Partnerschaften.
Die Stärke des Buches liegt in der umfassenden Darstellung dieser Bindungstraumata. König beschreibt mitfühlend und fundiert, wie frühe Erfahrungen von Ablehnung, Vernachlässigung oder emotionaler Überforderung uns auf einer unbewussten Ebene prägen. Dabei macht sie Mut, diese Muster zu erkennen und mit gezielten Strategien zu verändern.
Ein Schatz an Fallbeispielen und Übungen
Mit einer Vielzahl an Fallbeispielen aus ihrer Praxis bringt König ihre Leser:innen näher an das Thema heran. Jede Geschichte ist einfühlsam und verständlich erzählt und verdeutlicht die Bandbreite traumatischer Prägungen. Besonders wertvoll sind die praktischen Übungen und Reflexionsanleitungen, die helfen, das eigene Nervensystem besser zu verstehen und eine gesunde Beziehung zu sich selbst aufzubauen.
Die angebotenen Werkzeuge – von achtsamen Atemübungen bis hin zu gezielten Selbstbegegnungstechniken – unterstützen dabei, alte Verletzungen sanft zu lösen. König macht klar, dass Heilung in Beziehungen geschieht: durch Verbundenheit mit anderen und durch die Arbeit an der Beziehung zu uns selbst.
Aus dem Buch Seite 40: Einladung zur Reflexion
Bevor wir zum Anfang des Lebens blicken, möchte ich dich einladen, einen Moment innezuhalten und dich zu fragen, was für dich eine gelingende Beziehung ausmacht. Kannst du konkrete Worte dafür fin- den? Woran erkennst du, dass jemand eine gute Beziehung mit seinem Partner, seinen Kindern, Freundinnen oder Arbeitskollegen führt? Wie zeigt sich das im Alltag, in guten Zeiten und in Krisen?
Kritische Perspektive
Sie hat sich mit den Jahren jenseits vonTrauma und Beziehungen einen Namen als Trauma-Expertin in Deutschland gemacht und gilt hier als Expertin. Sie schreibt gut und anschaulich und hat die Sache auch wirklich nachhaltig verstanden. Also ich sie aber zuletzt in einem Interview mittels eines Männerportals sah, stellte sie die Behauptung auf, die gesamte Gesellschaft sei traumatisiert. Das ist natürlich so nicht haltbar und deutet auf eine gewisse „Betriebsblindheit“ hin.
Man könnte sagen, TEIL der Gesellschaft sind traumatisiert oder das bestimmte Menschen, die furchtbare Vergangenheit des 2. Weltkriegs auch kollektiv nicht aufgearbeitet haben. Und so weiter. Aber es gibt natürlich viele gesunde Anteile, gesunde, nicht traumatisierte Menschen, so dass man nicht global von einer „traumatisierten Gesellschaft“ sprechen kann. Das ist zu indifferent, einseitig und auch anmaßend (sie ist keine Soziologin). Und das wiederum könnte der Ruf an Zuhörer und Leser sein, sich zwischendurch auch mal mit was anderem zu beschäftigen. Den Fokus auf das Entstörte legen oder trotz Trauma weitergehen.
Trotz der Tiefe und des Mitgefühls, das in Königs Buch spürbar ist, bleibt ein Aspekt kritisch zu betrachten: Ihre starke Fokussierung auf Traumata birgt das Risiko einer „Betriebsblindheit“. Nicht alle Beziehungskonflikte sind traumatisch bedingt, und nicht jede schwierige Dynamik hat ihren Ursprung in der Kindheit. Dieses Potenzial zur Überdiagnostizierung sollte Leser:innen bewusst sein, um einen differenzierten Zugang zum Thema zu behalten.
Heilsame Wege zu erfüllenden Beziehungen
Königs Buch ist eine einfühlsame und gut recherchierte Ressource für alle, die sich mit den Auswirkungen früher Bindungserfahrungen auseinandersetzen wollen. Mit klarem Schreibstil, wissenschaftlicher Fundierung und praktischen Übungen bietet es nicht nur Erkenntnis, sondern auch konkrete Hilfe. Trotz kleiner Schwächen in der Generalisierbarkeit ist Trauma und Beziehungen ein wertvoller Begleiter auf dem Weg zu mehr Selbstverbindung und erfüllenderen Beziehungen.
Für wen ist das Buch geeignet?
Trauma und Beziehungen richtet sich vor allem an Menschen, die den Verdacht haben, unter einem Entwicklungstrauma zu leiden, sowie an Fachleute aus der Psychotherapie und Beratung. Es ist ein Muss für alle, die tiefere Einblicke in die Dynamik von Beziehungen gewinnen und an ihrem eigenen Heilungsprozess arbeiten möchten.
Trauma und Beziehungen: Wie wir die immergleichen Bindungsmuster hinter uns lassen
von Verena König
272 Seiten, Arkana Verlag (2024)
ISBN 3442343100
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Leseprobe: Trauma und Beziehungen
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